Arbeit während der Pandemie – Teil 3: Behindertenhilfe

Als linke Arbeiter_innen sind wir sehr daran interessiert, welche Auswirkungen die Covid-19-Pandemie auf unser Arbeitsleben hat. Für uns ist der Austausch darüber ein wichtiger Schritt hin zu einer Praxis, mit der wir uns gegen die Zumutungen von Wirtschaft und Politik wehren können. Deshalb haben wir eine Umfrage unter unseren Mitgliedern und Freund_innen gestartet, um mehr darüber herauszufinden – anonym und schonungslos ehrlich.

Wenn ihr auch etwas berichten wollt, meldet euch gerne bei uns!

Als nächstes folgt die Arbeit in der Behindertenhilfe.

Fragebogen zur aktuellen beruflichen Situation während COVID-19

1. A. In welcher Branche bist du tätig und welchen Beruf übst du aus?

Behinderhenhilfe, Studentische Hilfskraft in einer stationären Wohneinrichtung

B. Was gehört zu deinen täglichen Aufgaben in deinem Berufsstand?

Menschen mit Behinderung und psychischen Erkrankungen in ihrem Alltag begleiten und unterstützen, sprich wecken, anziehen, Medikation verteilen, Zubereitung von Mahlzeiten anleiten und unterstützen, bei Arztterminen o.ä. begleiten, Freizeitgestaltung, …

2. Welche Beweggründe haben dich zu deinem Beruf verleitet?

Wunsch nach Berufserfahrung und Geld während des Studiums

3. Wie hat dir dein Beruf bislang (vor COVID-19) gefallen?

gut

4. Was bewegt dich an deinem Beruf am meisten?

Die Freude und Dankbarkeit der Klient*innen mit geistiger Behinderung, die sind einfach immer super lieb!

5. Wie zufrieden bist du momentan mit deinem Beruf?

mittel

6. A. Wie hat sich dein Arbeitsalltag durch Corona verändert: Welche Sicherheitsregelungen gibt es bezüglich COVID-19 für den Schutz der Mitarbeitenden (und falls Kund:innen oder Patient:innen, dann für diese?)

Seit Corona sind deutlich weniger Klient*innen in der Wohngruppe, da die meisten die Zeit bei ihren Eltern verbracht haben. Dadurch wurde die Arbeit mit den anwesenden Klient*innen jedoch deutlich intensiver.
Als Sicherheitsregelungen für Mitarbeiter*innen, sowie Klient*innen, gibt es seit Anfang der Krise ein Besuchs- und Betretungsverbot, das Essen wird von einem Caterer geliefert, damit wir nicht einkaufen müssen, Klient*innen die zurück auf die Wohngruppe wollen mussten bis vor kurzem in Quarantäne.
Seit 1,5-2 Monaten ca. haben wir 1xMasken und Stoffmasken, die getragen werden sollen, wenn der Mindestabstand nicht eingehalten werden kann.

B. Wie bewertest du die Sicherheitsmaßnahmen an deiner Arbeitsstelle?

Bisher ganz gut

7. Hat sich deine Arbeitsbelastung (z. Bsp. Aufgaben/Zeit, Stress und Schwierigkeit der Aufgaben, Arbeitszeit) verändert?

Ja, es sind zwar weniger Klient*innen anwesend, die Situation war für diese jedoch sehr belastend, da die meisten kognitiv nicht in der Lage sind zu erfassen, warum sie das Haus nicht verlassen dürfen.
Einige Klient*innen waren psychisch stark belastet, haben sich dementsprechend auffällig Verhalten und die Arbeit mit ihnen war deutlich zeitintensiver und stressiger als sonst.
Nach wenigen Wochen setzte ein Lagerkoller sowohl unter den Bewohner*innen und den
Mitarbeiter*innen ein, was zu vielen Konflikten führte.

8. A. Hat sich deiner Wahrnehmung nach der Umgang unter den Mitarbeitenden verändert? Wenn ja, wie?

Ja, wir wurden von unserem Arbeitgeber angehalten unsere sozialen Kontakte so gut es geht einzustellen, um den Virus nicht ins Wohnheim zu bringen, da viele Klient*innen einer Risikogruppe angehören. An diese Bitte wurde sich überwiegend gehalten. Dies führte jedoch auch dazu, dass wir außer unserem eigenen Haushalt (Familien, Mitbewohner*innen), den Kolleg*innen und den Bewohner*innen niemand anders gesehen haben. Das hat teilweise zu Spannungen unter den Kolleg*innen geführt, weil wir uns irgendwann gegenseitig auf die Nerven gegangen sind.

B. Hat sich der Umgang mit deiner Vorgesetzten Person verändert? Wenn ja, wie?

Der Umgang zu unserem Vorgesetzten hat sich nicht wirklich geändert. Es war lediglich schwer ihn für „nebensächliche“ Anliegen zu erreichen, da auch er sehr viel Arbeit und Stress hatte.

C. Empfindest du eine veränderte Wahrnehmung deines Berufes in der Gesellschaft, persönlich, und/oder unter deinen Mitmenschen?

Teilweise, einige Menschen scheinen seit Corona einzusehen, dass wir wirklich Arbeiten und nicht nur fürs Kaffee trinken bezahlt werden.

9. A. Hat sich deine finanzielle Situation durch die aktuelle Corona-Krise verändert? Wenn
ja, wie?

Nein, finanziell hat sich bei mir nichts geändert, ich bin immer noch unterbezahlt. Dafür habe ich aber den einmaligen Pflegebonus von 300€ bewilligt bekommen, das ist ganz nett.

B. Falls sich deine finanzielle Situation durch die Krise negativ verändert hat: Wie
bewältigst du die Situation/den Engpass?

10. A. Wie zufrieden bist du mit den aktuellen Corona-Beschränkungen und Lockerungen in
Bezug auf deinen Berufsstand?

Ich bin nicht zufrieden. Die Regelungen für Behinderteneinrichtungen sind teilweise super sinnlos. Beispielsweise dürfen die Bewohner*innen zu ihren Familien nach Hause, die Eltern dürfen jedoch nicht zu uns kommen. Wohnheim A und Wohnheim B dürfen sich wegen des Besuchs- und Betretungsverbot gegenseitig nicht besuchen um dem Lagerkoller entgegenzuwirken, ab dem 15.6 soll es den Klient*innen jedoch wieder erlaubt sein, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren, obwohl das Infektionsrisiko dort viel höher ist.
Aktivitäten wie zB Spaziergänge sind den Klient*innen auch nur in Begleitung erlaubt.
So sieht es aber in vielen sozialen Bereichen aus. Fitnessstudios dürfen ab Montag wieder öffnen Kindergärten hingegen dürfen erst ab 1.7 wieder öffnen – dabei haben besonders die Kinder den Kontakt zu gleichaltrigen wieder bitter nötig.

B. Welche Maßnahmen würden deine Arbeitssituation verbessern und dir die Arbeit erleichtern? Was wünscht du dir von der Politik und deinem/r Arbeitgeber/in in Bezug auf deine Arbeit und Branche?

So genau kann ich das gar nicht sagen. Es wäre auf jeden Fall sinnvoll, den Klienten
vorerst den psychischen Druck zu nehmen den sie durch die ständige Begleitung haben.
Eine Lockerung bzgl. Der Begleitung bei Spaziergängen oder zumindest die Möglichkeit
individuell zu entscheiden wer die Begleitung nötig hat oder nicht würde aber schon
helfen, denke ich.

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