Nachträglich zum 8. März: #MeToo und Täterschutz. Ein Beitrag.

Inhaltswarnung: In diesem Beitrag gibt es auch explizite Darstellungen von Übergriffen. Bitte bedenkt das beim Lesen. Die Gewalt, der Frauen und Queers tagtäglich ausgesetzt sind, ist hart.

Im Oktober 2017, also vor gut 2,5 Jahren, machten mehrere Frauen ihrer langjährigen Wut und Ohnmacht über sexualisierte Gewalt und Übergriffe unter dem Hashtag MeToo Luft.
Die mediale Aufmerksamkeit der #MeToo-Bewegung begann mit dem Weinstein-Skandal, in dem verschiedenste Frauen den Millionär und Filmproduzenten wegen sexueller Belästigung, Nötigung und Vergewaltigung anzeigten und somit auf das häufig übergriffige Verhalten (einflussreicher) Männer aufmerksam machten. Sie verbreitete sich wie ein Lauffeuer und gab schnell auch einzelnen, nicht prominenten Frauen den Mut, öffentlich über Erlebtes zu sprechen, um nicht länger als Freiwild angesehen zu werden.

Über #MeToo wurde viel gesagt und viel geschrieben. Sicherlich hat die Bewegung einiges erreicht. Aber der Kapitalismus, gestützt durch das Patriarchat, die Herrschaft des Kapitals und die Ausbeutung der Arbeiter_innen, verteidigt sich hart gegen unsere Angriffe.

Seit der ersten Frauenbewegung bis heute, immer wenn Frauen ihre Stimmen erheben und auf die bestehenden Missstände aufmerksam machen, werden sie betitelt als „wütende hysterische Feministinnen“, „zu laut“, „zu überzogen“, Aktivist*innen wird vorgeworfen das Klima zwischen den Geschlechtern zu vergiften und natürlich muss auch nochmal erwähnt werden „dass man nicht ALLE Männer unter Generalverdacht stellen darf“. Nach und nach fährt das Patriachat jeder dieser Bewegungen über den Mund und legt alles daran, sie zum Schweigen zu bringen.

Aber, wir sind wütend! Wenn…

… der Comedian Louis CK, der vor seinen weiblichen Angestellten masturbierte nun erzählt, die Frauen hätten damals leider ihre Ablehnung nicht klar genug geäußert, wieder auf Tour geht und gefeiert wird als wäre nichts gewesen,

… Roman Polanski, der eine 13-jährige erst unter Drogen gesetzt und dann vergewaltigt hat, wieder einen Filmpreis gewinnt,

… oder, wie im Dezember 2019, bei der live-Übertragung des Savannah Bridge Run in einem US-lokal Fernsehsender einer der Läufer der Reporterin auf den Hintern haut und das Ganze als „nicht so drastisch“ eingestuft wird.

Dann sind wir selbstverständlich wütend! Es kann nicht sein, dass eine angeblich durch #MeToo aufgeklärte Gesellschaft zweieinhalb Jahre braucht um Harvey Weinstein zu verurteilen. Es kann nicht sein, dass der Arsch-Klatscher des Savannah Runs sein übergriffiges Verhalten leugnet und von seinem Anwalt noch betont wird, dass der Mann eigentlich ein liebevoller und in seiner Gemeinde aktiver Ehemann und Vater sei. Es kann nicht sein, dass Männer sich gegenseitig decken und schützen, um ihre Macht zu sichern.

Wir haben allen Grund wütend zu sein, wenn die Schuld für sexuell übergriffiges Verhalten und Vergewaltigung noch immer bei den Opfern gesucht wird. Nein, uns ungefragt im Club auf den Po hauen ist nicht okay! Und nein, es ist nicht „nur“ ein Klaps auf den Hintern!

Phrasen wie „es war doch nur…“ oder „der arme Mann, so war das bestimmt nicht gemeint“ lenken die Verantwortlichkeit vom Täter auf das Opfer! Viel zu häufig werden die Ursachen eines Übergriffs beim Opfer gesucht. Die Kleidung soll zu aufreizend gewesen sein, und das Nein war angeblich nicht laut genug. Aber wenn Männer sich herausnehmen, mit voller Absicht, eine Frau sexuell zu belästigen, dann steht es außer Frage, dass die Schuld beim Täter liegt!

Und das betrifft nicht nur die allgemeine Gesellschaft. Auch in linken Kontexten gibt es Täterschutz- Ein trauriges, aktuelles Beispiel ist das Festival Monis Rache: Dort herrscht ein feministisches Selbstverständnis und trotzdem wurden in den Jahren 2016 und 2018 auf Dixiklos versteckte Kameras installiert, die Frauen gefilmt haben. Anschließend wurden diese Videos auf einer pornografischen Website hochgeladen. Der Täter: kein Unbekannter, sondern Teil der Festivalstrukturen. Der Öffentlichkeit wurde der Vorfall Anfang dieses Jahres bekannt gemacht, doch in den Festivalstrukturen wussten Leute aus dem Täterumfeld schon mindestens zwei Monate über den Vorfall Bescheid. Anstatt den Täter zu isolieren und mögliche Betroffene aufzuklären, wurde versucht, den Vorfall intern zu behandeln – und dabei wurde, bewusst oder unbewusst, der Täter geschützt.

Das ist auch nicht der einzige Fall dieser Art: Im Februar wurde bekannt, dass auf dem sich ebenfalls als sexismusfrei verstehenden Fusion-Festival im letzten Jahr Besucherinnen* beim Duschen gefilmt wurden. Über den Täter ist noch nichts weiter bekannt, doch für Betroffene und mögliche Opfer sexualisierter Gewalt stellt sich eine schlimme Frage: wo können wir denn überhaupt sicher sein, wenn denn nicht einmal auf einem Festival mit feministischem Anspruch oder in unseren alltäglichen linken Räumen?

Die Antwort darauf kann nicht heißen, dass wir an der gewalttätigen Realität verzweifeln.

Nein, wir müssen uns feministisch organisieren: in unseren Strukturen mit anderen Frauen* und FLINT-Personen, um uns gegen den Sexismus unserer Genossen und geschlechtliche Hierarchien zur Wehr zu setzen. Gemeinsam als Frauen* und FLINTs in feministischen Gruppen. An dieser Stelle sei zum Beispiel das feministische Streikkomitee erwähnt, dem wir das wunderbare Streikzelt an der Lorenzkirche um den 8. März 2020 herum verdanken, oder das 8. März-Bündnis Nürnberg, was jedes Jahr aufs Neue diese kämpferische Demo organisiert.

Schlussendlich werden wir das Patriarchat besiegen – denn die Herrschaft der Männer und des Kapitals ist auf Sand gebaut. Für eine Zukunft, in der wir unser Leben selbst in die Hand nehmen, für die befreite Gesellschaft!

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